Auf der menschenverlassenen schottischen Insel Gruinard Island testete das britische Militär Anthrax-Erreger, um sie gegen die Nazis einzusetzen. Dazu kam es nie – doch die Insel blieb über Jahrzehnte verseucht.
Gruinard Island wirkt wie Schottland aus dem Bilderbuch: Weite, Ruhe, grüne Wiesen und ein paar Strände. Die Insel liegt etwa einen Kilometer vor Schottland im Atlantischen Ozean, auf Bildern wirkt sie mit ihren nicht einmal zwei Quadratkilometern ruhig und idyllisch. Doch der Schein trügt: Gruinard Island hat eine düstere, tödliche und im Wortsinn giftige Geschichte.
Dass etwas nicht stimmt, merkt man schon daran, dass die Insel komplett menschenleer ist. Bis 1990 galt sie sogar offiziell als unbewohnbar – und noch heute halten sie sich viele Schotten lieber davon fern. Hintergrund sind Experimente mit Anthrax-Erregern, die die britische Regierung während des Zweiten Weltkriegs dort durchführte. Sie verseuchten den Boden über Jahrzehnte hinweg.
Gruinard Island: Test für britische Biowaffen
1942 trafen britische Militärwissenschaftler Vorkehrungen für einen effektiven Einsatz von Biowaffen. Als Schauplatz wurde Gruinard Island ausgewählt: Im 19. Jahrhundert lebten dort noch vereinzelt Menschen, aber schon seit den 1920er-Jahren war die Insel unbewohnt. Ein passender Ort also, um unbemerkt von der Öffentlichkeit und vermeintlich einigermaßen sicher die Wirkung von Erregern zu testen, welche die Infektionskrankheit Milzbrand – auch Anthrax genannt – auslösen. Kurzerhand wurde die Insel zu diesem Zweck von den ursprünglichen Besitzern beschlagnahmt.
Dann nahm die “Operation Vegetarian” seinen Lauf: 60 Schafe wurden auf die Insel gebracht, in ihrer Nähe detonierte eine Bombe mit dem Anthrax-Erreger. Nach drei Tagen verendeten die Tiere qualvoll. Doch nicht nur die unmittelbaren Infektionen und ihre Wirkung richteten massiven Schaden an und zeigten, wie extrem gefährlich diese Waffe war, die Erreger hatten auch den Boden versucht. Mit Antrax kann man ganze Städte “für Jahrzehnte unbewohnbar” machen, hieß es in dem Bericht der Wissenschaftler.
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48 Jahre Quarantäne
Eingesetzt wurde diese mächtige Waffe im Kampf gegen Nazi-Deutschland schließlich nicht – obwohl es konkrete Pläne gegeben haben soll, erst das Vieh und dann, durch dessen Verzehr, auch Millionen Deutsche zu infizieren und zu töten. Auf Gruinard Island waren die Nachwirkungen der Versuche aber noch lange spürbar. Die Insel wurde zum Sperrgebiet erklärt und stand insgesamt 48 Jahre lang unter Quarantäne. Niemand durfte sie betreten, lediglich Besuche zur Messung der Kontamination waren unter strengen Sicherheitsvorkehrungen erlaubt.
Es dauerte bis 1990, bis Gruinard Island eine zweite Chance bekam. Nach vier Jahren langen Dekontaminierungsmaßnahmen wurden wieder Schafe auf die Insel geschickt. Diese grasen in aller Ruhe – und blieben gesund. In einer Zeremonie wurde die Insel wieder für bewohnbar erklärt und an die Erben der einstigen Besitzer zurückgegeben, zum nach dem Zweiten Weltkrieg vereinbarten Preis von 500 Pfund. Heute zieht Gruinard Island aufgrund seiner düsteren Vergangenheit einige Touristen an, immer wieder WIRD allerdings bezweifelt, ob wirklich alle Anthrax-Rückstände verschwunden sind – der Erreger kann extrem lange überleben.
Quellen: BBC / “Neuer Staatsmann”
Quelle: Stern