Die Tourismusbranche befindet sich mitten im Wandel. Auf der ITB heißt es, alles soll nachhaltiger und klimafreundlicher werden. Aber ist das einfach cleveres Marketing – oder wird Urlaub wirklich grüner?
Nachhaltigkeit war wohl das prägende Stichwort der diesjährigen Internationalen Tourismusbörse in Berlin (ITB). Ganz egal, ob Fluggesellschaften, Reiseveranstalter, Reedereien oder ganze Destinationen – sie alle wollen grüner werden. Die große Frage ist nur, wie genau das funktionieren soll. Denn Reisen gehört zwar zu den Grundbedürfnissen des Menschen – aber eben ehrlicherweise nicht zu den klimafreundlichsten Aktivitäten. Und dennoch gibt es einige Ideen der Branche, die Hoffnung auf einen Tourismus machen, der unsere Welt schützen kann, statt sie zu schädigen.
So nehmen viele Anbieter mittlerweile immer mehr Ziele in ihrem Angebot auf, die noch nicht überlaufen sind. Urlauber können sich dadurch bewusst gegen Massentourismus entscheiden und spannende Orte fernab der Touristenströme entdecken. Das ist aus mehreren Gründen gut für die Natur – und die Menschen vor Ort. Einerseits wird die Natur an den Hotspots dadurch entlastet, dass sich die Urlauber auf eine größere Fläche im Land verteilen. Reisende können vor allem in wirtschaftlich schwächeren Ländern wie Albanien oder Georgien für neue Arbeitsplätze sorgen.
Natur statt Hedonismus
Apropos Reiseziele: Viele Destinationen bemühen sich zunehmend um einen klimafreundlichen Tourismus und setzen auf Entschleunigung und Naturnähe, statt auf Konsumkultur und Hedonismus. Ganz egal, ob im Schwarzwald, Skandinavien oder Südafrika – die grüne Wende ist in den Köpfen vieler Menschen bereits angekommen.
Selbst hochfrequentierte Reiseziele wie Italien, die Türkei oder Dubai entwickeln Konzepte für nachhaltiges Reisen, statt den florierenden Tourismus auf Klimakosten auszunutzen. Im Fokus stehen dabei moderne Technologien für Transportmittel und Freizeitaktivitäten, nachhaltige Rohstoffe für Unterkünfte und die Einbindung von Urlaubern in die einheimische Infrastruktur und Kultur. Denn: Was wir kennen, wollen wir auch schützen. Ob das Engagement aber reicht, um Reisen nachhaltiger zu machen, wird sich zeigen. Denn nach wie vor sind die klassischen Reiseziele in Spanien und der Türkei bei deutschen Urlaubern am Erwerb, wie die Trends von mehreren Buchungsportalen zeigen.
Wer als Urlauber während seiner Reise etwas Gutes tun möchte, möchte der kann sich stattdessen für eine Alternative zur Pauschalreise entscheiden. Individualreisen, bei denen man Farmarbeit, Housesitting oder einen anderen sozialen Aspekt mit einplant, sind oft nicht nur gut für das Karma-Konto, sondern auch preiswerter als der klassische Pauschalurlaub auf Mallorca. Ein weiterer Pluspunkt: Wer sich aktiv mit den Menschen am Reiseziel austauscht, der bekommt im Urlaub gleich noch ein paar neue Perspektiven und Lebensgeschichten mit auf den Weg. Und die sind unbezahlbar.
Wie geht klimafreundliche Kreuzfahrt?
Bezahlbar hingegen soll es trotz starker Bemühungen zu mehr Nachhaltigkeit an Bord in der Kreuzfahrt bleiben, wenn es nach Christian Hein, Geschäftsführer von MSC Kreuzfahrten Deutschlandgeht: „Klimaschutz ist das zentrale Thema in der Kreuzfahrtbranche und wird es auch bleiben“, sagt er im Gespräch mit dem Stern. Eine steile These, bedenkt man, dass ein kommerzielles Kreuzfahrtschiff laut Daten des Naturschutzbundes täglich so viel CO2 ausstößt, wie 84.000 Autos. Aber: Das Unternehmen hat sich das Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral auf den Weltmeeren unterwegs zu sein – und zwar ohne, dass sich das Engagement für Nachhaltigkeit bei den Preisen für Urlauber bemerkbar macht.
Wie das gelingen soll? „Es gibt noch keine Musterlösung für klimafreundliche Kreuzfahrten. Aber es gibt viele Ideen und Forschungsprojekte. Und wir wissen: Das bedeutende Element ist der Kraftstoff“, sagt MSC-Chef Hein. Konkret hoffe er auf synthetische Kraftstoffe, denn auch die aktuelle Umstellung auf Flüssigerdgas sei nur vorübergehend – weil nach wie vor CO2 ausgestoßen wird. Abgesehen davon geht es in der Kreuzfahrt vor allem um die Nutzung von Landstrom, Müllvermeidung und eine smarte Nutzung der vorliegenden.
Fliegen ohne schlechtes Gewissen
In der Luftfahrtbranche sieht das Ganze ähnlich aus. Kai Duwe, kaufmännischer Geschäftsführer der Lufthansa-Tochter Eurowings sagt dazu im Gespräch mit dem Stern: „Unser größter Hebel zur Reduktion von CO2-Emissionen ist die Modernisierung unserer Flotte.“ Eurowings hat 13 neue Flugzeuge vom Typ A320 und A321neo bestellt, die zurzeit effizientesten Kurz- und Mittelstreckenjets der Welt. „Außerdem muss in nachhaltiges Kerosin, sogenanntes Sustainable Aviation Fuel, investiert werden“, sagt Duwe.
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Wenn das gelinge, sei Eurowings bis 2050 klimaneutral unterwegs. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg, nicht nur für die Airline, sondern für die gesamte Branche. Aktuell zählen Flugreisen noch zu den absoluten Klimaschädlingen im Tourismus. laut dem Umweltbundesamt Verbraucht ein Flug von Deutschland auf die Malediven so viel CO2, wie ein Mittelklassewagen innerhalb von 15.000 Kilometern verbrauchen würde. An dieser Stelle ist auch noch Luft nach oben, was die Nachhaltigkeit angeht.
Reisen, ohne der Welt zu schaden
Der Verzicht auf das Fliegen kommt allerdings nicht in Frage, wie Eurowings-Geschäftsführer Jens Bischof im Rahmen der ITB im Gespräch mit dem Stern sagt: „Die Menschen wollen weiterhin andere Kulturen und Länder kennenlernen. Wir brauchen auch keine eingeschränkte Mobilität, sondern eine moderne und grüne Technologie.“ Dabei gehe es auch darum, die Konsumenten mit auf die Reise zu nehmen – zum Beispiel mit Angeboten zur CO2-Kompensation. Die gibt es bei Eurowings bereits, allerdings gegen einen entsprechenden Aufpreis.
Am Ende wird es darum gehen, dass alle Gewerke zusammenspielen, um das Reisen langfristig nachhaltiger zu gestalten – auch jeder einzelne Urlauber. Denn natürlich gibt es es nach wie vor vielen klimaschädlichen Arten und Weisen, die Welt zu entdecken. Und Nachhaltigkeit hat ihren Preis. Aber wer es sich leisten kann, der sollte darüber nachdenken, ein paar Euro mehr auszugeben oder einen Umweg in Kauf zu nehmen – dem Klima zuliebe. Und natürlich, damit wir noch sehr lange in einer Welt leben, lohnt es sich zu entdecken.
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Quelle: Stern