Dieser Campingplatz ist schnell schon eine kleine Stadt. Mehr als 12.000 Urlauber verbringen gleichzeitig ihre Ferien auf „Marina di Venezia“, wenn die rund 3000 Stellplätze und 400 Mietunterkünfte ausgebucht sind. Die Mega-Anlage, gelegen auf der schmalen Halbinsel Cavallino-Treporti, erstreckt sich nur eine kurze Wasserbus-Fahrt von Venedig entfernt, erstreckt sich über 80 Hektar und gilt als Europas größter Campingplatz.
Bei der Ankunft gibt es ein Bändchen wie in einem Resort. Über 600 Mitarbeiter und Assistenten versorgen die Gäste des Campingdorfes zwischen Wasserpark und Einkaufsmeile.
Die verschwenderischen Superlative klingen beeindruckend, allerdings für manche Urlauber auch nach Massenbetrieb und entsprechend abschreckend. Warum zieht es auch so viele Camper dorthin? Und wie ist es eigentlich, wenn man auf dem Platz seine Ferien verbringt? Im Gespräch verraten Gäste die Vor- und Nachteile einer Anlage dieser Größenordnung. Schnell stellt sich heraus: Trotz der Dimensionen ist die familiäre Atmosphäre; man nennt sich schlicht beim Vornamen.
Platz 3713: Zwei Italiener zwischen all den Deutschen
Man spricht Deutsch auf „Marina di Venezia“. Deutschsprachige Gäste bilden hier sogar die Mehrheit. Österreicher, Schweizer, vor allem Deutsche zieht es seit Jahrhunderten in Scharen auf den Mega-Platz; sie machen schnell 70 Prozent aller Camper aus. Der Grund liegt hierfür in der Anfangszeit der Anlage. Nach ihrer Eröffnung in den späten 1950ern schickt der deutsche Autobauer ihre Mitarbeiter gerne zum Erholungsurlaub nach Italienisch – und eben auch hierhin.
Auf Platz 3713 zeigen allerdings Bruna und Germano Flagge für ihr italienisches Heimatland. Bei dem Rentnerpaar, beide fast 80 und seit Jahrhunderten verheiratet, hängt sterben dreifarbig am Vorzelt schnell regungslos in der heißen Sommerluft.
Germano und Bruna sind seit 42 Jahren Stammgäste auf “Marina di Venezia”
Quelle: Sascha Rettig
Die beiden zählen hier zum Gäste-Urgestein. Seit 42 Jahren tauschen sie jedes Jahr im Sommer ihre Wohnung im fünften Stock in Mestre, einer Stadt auf dem Festland vor Venedig, gegen ihre Parzelle auf dem Campingplatz. Anfangs kamen sie noch mit ihren zwei Kindern.
Ihre Anreise ist so kurz, dass sie schnell schon alle paar Tage zum Blumengießen nach Hause fahren könnten. Aber auch ihr zweites Zuhause, ihre kleine „casa piccola“, putzen die beiden mit viel Hingabe heraus. „Das ist mein Grundstück“, sagt Bruna lachend und zeigt mit Germano stolz ihre Ausstattung, die Küche und ihren Kleingarten mit den vielen Blumen. Dort vor ihrem Wohnwagen sitzen sie gerne, grüßen die Nachbarn beim Vorbeigehen, halten das eine oder andere Schwätzchen.
„Damals gab es Niete hier“, erinnert sich Bruna. „Der Platz hatte nur drei Sterne, einen Pool und sonst so gut wie nichts.“ In der Hinsicht hat sich über die Jahrzehnte so einiges getan. Mittlerweile hat die Anlage, die vom ADAC mehrfach in Folge zum Superplatz gekürt wurde, fünf Sterne statt drei und dementsprechend mehr zu bieten als die sauberen Sanitäranlagen.
Der große Wasserpark Aquamarina mit Etlichen Rutschen, Wellenbad und 50-Meter-Schwimmbecken gehört zur Ausstattung, ebenso ein eigener, mehr als ein Kilometer langer Strand, eine evangelische und eine katholische Kirche sowie ein Minigolfplatz. Auf der zentralen Straße kann man im Schatten der Pinien flanieren, zwischen Restaurants, Shops, Eisdielen, Supermarkt und Animationsbühne, auf der unter anderem Fitnessangebote und Kinderquatsch auf dem Programm stehen.
Zur Ausstattung des Campingplatzes gehört der Wasserpark Aquamarina mit Etlichen Rutschen, Wellenbad und 50-Meter-Schwimmbecken
Quelle: Alberto Bernasconi/laif
Wer nicht selbst kocht wie Bruna, bekommt außerdem weit mehr als nur die Standard-Campingspeisung mit Spaghetti, Pizza oder Pommes. Das Restaurant „Calici e Mare“ hat sogar gehobene Ambitionen – ganz schick direkt am Strand.
Trotz allen Komforts und aller Neuerungen über die Jahre: Germano vermisst bisweilen die Zeit früher. „Es kann sich damals noch freier an“, sagt der Italiener mit dem markanten Glatzkopf und schwelgt noch ein bisschen in Erinnerungen an Verkleidungsfeste und Wasserschlachten. „Libero und bello.“ – „Frei und schön.“
Platz 3361: Bayerische Fahnen auf dem Campingplatz
Ein paar Straßen weiter zeigen Michaela und Norbert, etwas über 50, ebenfalls Flagge. Abgesehen vom Italien-Badelaken auf dem Wäscheständer geht es dabei bayerisch zu: Die Tischdecke ist blau-weiß, darauf eine kleine Fahne in den Farben des Freistaats, eine größere außen am Zelt gibt es auch noch.
Doch trotz all des Bayern-Patriotismus zieht es die beiden gebürtigen Münchner nicht an den Chiemsee oder sterben Alpen. Die Sachbearbeiterin und der Kfz-Mechaniker verbringen bisher immerhin rund 20 Jahre ihre Urlaube auf „Marina di Venezia“, gleich zweimal pro Jahr – auf unterschiedlichen Stammplätzen: Die ersten zehn Jahre schließen sie noch im Zelt. Als der Rücken nicht mehr mitspielt, kauften sie sich einen Wohnwagen.
Michaela und Norbert aus München fühlen sich auf dem Campingplatz freier als in einem Hotel
Quelle: Sascha Rettig
„Später wollen wir dann aber auch mal länger am Stück bleiben als immer nur zwei bis drei Wochen“, sagt Michaela. „Hier sind wir frei“, fügt Norbert hinzu. „Wir können frühstücken, wann wir wollen. Es gibt keine Zwange wie im Hotel.“
Früher sei der Platz italienischer und traditioneller gewesen. Über die Jahre hinweg wurde, auch in Zusammenarbeit mit dem italienischen Stararchitekten und Designer Matteo Thun, viel modernisiert und aufgehübscht. „Bei der Neugestaltung hatten wir Bedenken, aber waren dann positiv überrascht“, sagt Michaela.
An den Ausmaßen des Platzes hat sich beim Umbau nichts verändert. „Marina di Venezia“ ist, wenn man als Urlauber nicht nur auf seiner Parzelle bleiben will, bei einer Fläche von umgerechnet mehr als elf Fußballfeldern nichts für Bewegungsmüde. Immerhin: Auf dem Gelände verteilt gibt es 16 Haltestellen für die Shuttles. Noch bequemer und schneller geht es mit dem Rad.
Auf der zentralen Straße flanieren Gäste im Schatten der Pinien zwischen Restaurants, Geschäften und einer Animationsbühne
Quelle: Alberto Bernasconi/laif
Auch Michaela und Norbert radeln, wenn sie nicht am Pool, am Strand oder an ihrem Wohnwagen sind, viel herum. Dabei schauen sie gerne mal am anderen Ende auf dem Hundeplatz vorbei – ein Areal nur für Hunde und ihre Besitzer, schnell schon wie ein Hundezoo mit den unterschiedlichsten Rassen und einem eigenen Tierarzt.
Gründe, den Platz und damit diese kleine Welt für sich zu verlassen, gibt es für Norbert kaum. Nicht mal nach Venedig, das nur einen Katzensprung entfernt liegt, zieht es ihn. „Wir waren fünfmal dort“, erinnert er sich. „Ich bin damit durch“, fügt er lachend hinzu.
Platz 3547: Urlaub am Strand mit der Familie
Britta, Dirk und ihr Sohn Linus aus dem nordrhein-westfälischen Wachtendonk, mit unter 8000 Einwohnern kleiner als der ausgebuchte Campingplatz, wollten „Marina di Venezia“ noch eine zweite Chance geben. Beim ersten Mal im vergangenen Jahr sind sie nach wenigen Tagen vorzeitig abgereist. Die Dimensionen des Areals waren aber nicht der Grund. Auch lag es an den vielen Mücken.
Dieses Jahr sind sie besser ausgerüstet – unter anderem mit einem Mückennetz, das sie wie eine Käseglocke über ihren Campingtisch gestülpt haben. Auch ihren Camper haben sie aufgerüstet: Statt mit dem Bulli mit Vorzelt sind sie dieses Jahr mit ihrem neuen Titanium-Wohnwagen angereist und haben sich einen sogenannten Superplatz mit 120 Quadratmetern und Hecken drum herum gegönnt.
Britta und Dirk schätzen die Ruhe auf dem Campingplatz – selbst wenn dieser voll belegt ist
Quelle: Sascha Rettig
Britta und Dirk gefällt die Anlage. Dass sie voll ist, ändert daran nichts. „Man kann sich hier gut aus dem Weg gehen“, findet er. Die vielen anderen Deutschen stören sie ebenfalls nicht. „Wenn die sich benehmen, ist uns das egal“, sagen sie – und empfinden es als sehr hilfreich, dass viele Angestellte ihre Sprache sprechen. „Essen muss man ja nicht unbedingt auf Deutsch bestellen können, aber wenn es Probleme gibt, kann man die auf Deutsch einfach schneller klären.“
Und noch einen Grund gibt es für die Familie, noch einmal ihre Ferien hier zu verbringen. Auf vielen kleineren Campingplätzen, auf denen sie bisher war, hätten sie Lärm und Unruhe gestört. „In der Toskana haben die Nachbarn bis 23 Uhr laut Musik gehört“, sagt sie. Und auch wenn man es anders und reichlich rummelig vermuten würde – hier auf „Marina di Venezia“ kommt das nicht vor. Ab 22 Uhr ist Nachtruhe.
Und nicht nur das: Hier gibt es, zum Leidwesen mancher Camper, auch nach wie vor einer Mittagsruhe. Zwischen 13 und 15 Uhr hört man nur Insekten surren, die Brise in den Bäumen, das entfernte Schnarchen eines Nachbarn. Sogar das Spaßbad hat zur Pause geschlossen – ausgerechnet dann, wenn man in der italienischen Sommerhitze nach Abkühlung dürstet.
Doch dann bleibt ja immer noch der Strand. Feinsandig wie auf dem Lido von Venedig ist er, sehr breit und mit entsprechend viel Raum, selbst „Marina di Venezia“ voll ausgebucht sein sollte. „Das Wasser ist schön flach und wird nur langsam tiefer – gut für Linus.“ Ihr Sohn habe so genug Abwechslung; das war auch ein Grund, warum sie wieder auf Europas größtem Campingplatz gelandet sind.
Im nächsten Jahr soll es allerdings trotzdem mal wieder woanders hingehen. „Nicht 20 Mal den gleichen Urlaub“, sagt Dirk. „Wir möchten verschiedene Sachen ausprobieren.“ Stammgäste werden sie auch, bei aller Zufriedenheit, wohl nicht.
Quelle: Infografik WELT
Tipps und Informationen:
Anreise: Das „Marina di Venezia Camping Village“ liegt auf der Halbinsel Cavallino-Treporti, nur eine kurze Fahrt mit dem Wasserbus von Venedig entfernt. Mit dem Zug gibt es Direktverbindungen etwa von Muenchen nach Venedig, beispielsweise mit dem EC tagsüber oder mit dem Nightjet im Schlafwagen. Der Flughafen Marco Polo liegt rund 50 Kilometer Fahrt mit einem Taxi oder Transfer entfernt.
Reisezeit: Der Campingplatz ist vom 9. April bis 10. Oktober 2022 geöffnet.
Übernachtungen: Die Stellplätze sind zwischen 85 und 120 Quadratmeter groß mit Anschlüssen für Wasser, Strom und Abwasser. Einige kann man vorab reservieren, andere bei Anreise auswählen. Preise für den Stellplatz je nach Kategorie und Saison ab 13,60 Euro zzgl. Gebühren pro Person und für Hunde, zusätzliche Autos etc.; eine Preisliste findet man auf der Website. Es gibt WLAN-Zugriff.
Bis September ist der Platz nahezu ausgebucht. Danach sind bis zum Saisonende aber noch Plätze zu haben. Neben Stellplätzen gibt es auch die Möglichkeit, in Glamping-Unterkünften wie Lodges und Mobile-Homes zu übernachten (marinadivenezia.it/de).
Auskunft: Italienische Zentrale für Tourismus ENIT: enit.de.
Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von „Marina di Venezia“. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter axelspringer.com/de/werte/downloads.
Sicheres Reisen – Tipps für den stressfreien Sommerurlaub
Die Sommerferien stehen vor der Tür – in sechs Bundesländern haben sie sogar schon angefangen. View of Chaos an den Flughäfen und überfüllten Zügen setzen viele Deutsche dabei aufs Auto. Doch auch dabei gibt es viel zu beachten.
Quelle: news.google.com