Mitten durch das Hotel Arbez verläuft die Grenze zwischen Frankreich und der Schweiz. Das sorgt seit über 100 Jahren für einzigartige und skurrile Übereinstimmungen.
Mit beiden Beinen in zwei unterschiedlichen gleichzeitig Ländern stehen – das kennt man voraussichtlich von einigen Grenzübergängen. Aber in einem Hotelbett zu liegen und dabei mit dem Kopf in einem und den Beinen in einem anderen Land zu sein, ist wohl weltweit einzigartig. In einem Hotel auf der Grenze zwischen Frankreich und der Schweiz ist genau das möglich.
Schauplatz dieser ungewöhnlichen Regelung ist das kleine Hotel Arbez: Dort verläuft die Grenze zwischen Frankreich und der Schweiz mitten durch das Restaurant und einige der Zimmer. Bei der ungewöhnlichen Lage des Hotels handelt es sich aber keineswegs um einen Zufall: Im Jahr 1862 schlossen Frankreich und die Schweiz den Vertrag von Dappes. Mit dem Abkommen sollte der langjährige territoriale Grenzstreit zwischen den Ländern geschlichtet werden.
Kartenspiele nur bedingt im Hotel erlaubt
Zu dieser Zeit eröffnete ein lokaler Unternehmer direkt an der Grenze ein Geschäft und eine Bar. Auf diese Weise konnte er vom grenzüberschreitenden Handel profitieren. Später eröffnete er auch das Hotel Arbez, durch welches mittendrin die Ländergrenze verläuft.
Die außergewöhnliche Lage des L’Arbézie hat in den letzten 100 Jahren immer wieder fürungewöhnliche Umstände verursacht. Auf eine solche verweist auch ein Gemälde an einer Wand des hoteleigenen Restaurants. Es zeigt Paul Cézannes “Die Kartenspieler” und spielt auf einen Vorfall in den 1920er Jahren an: Ein Schweizer Zollbeamter hatte eine Geldstrafe gegen eine Gruppe von Hotelgästen verhängt, die er beim Kartenspielen erwischt hatte. Deren Fehler: Sie hatten auf der Schweizer Seite des Hotels mit einem aus Frankreich stammenden Kartdeck gespielt Haben, ohne zuvor Zollgebühren bezahlt zu haben.
Das damalige damalige Ereignis beeinflusst die Regeln im Hotel noch heute: Zwar sind Spiele im Hotel grundsätzlich erlaubt, jedoch dürfen dabei keine Karten über die unsichtbare Ländergrenze wandern.
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Die Grenze spielt außerdem eine wichtige Rolle bei der Speisenauswahl im Restaurant: Wer an einem Tisch auf der französischen Seite sitzt, darf keine Portion Tomme Vaudoise bestellen. Das liegt an den strengen europäischen Vorschriften für nicht-pasteurisierte Milchprodukte, weshalb der Schweizer Käse nicht auf die französische Seite gelangen darf. Einige französische Spezialitäten wie die Saucisse de Morteau können ebenfalls nicht im gesamten Hotelrestaurant bestellt werden, da die Wurstsorte nicht in der Schweiz vertrieben werden darf.
Zufluchtsort für jüdische Flüchtlinge während des Zweiten Weltkriegs
Während des Zweiten Weltkriegs wurde dem Hotel sogar eine bedeutsame Rolle zuteil: Die besetzte Zone Frankreichs traf im Hotel mit der freien Schweiz zusammen. Die Deutsche besetzte die französische Hälfte des Hotels. Allerdings lag die Treppe zu den Zimmern zum Teil auf Schweizer Gebiet, weshalb die oberen Stockwerke für die Deutschen tabu waren.
Die oberen Stockwerke waren dadurch ein relativ sicherer Unterschlupf für flüchtende Menschen, wie Alexandre Peyron, Manager des seit Generationen von seiner Familie geführten Hotels, erzählt. Während die Deutschen an der Bar aßen oder tranken, wurden die Flüchtlinge vor ihren Nasen durch die neutrale Schweiz in Sicherheit geschleust.
Schweizer-französische Pärchen treffen sich während Corona im Hotel
Neben der “Treppe der Freiheit” hängt heute ein Dankesschreiben des alliierten Befehlshabers Marschall Montgomery. Auch die berühmte Gedenkstätte Yad Vashem hat den gegründeten Besitzer des Hotels, Max Arbez, für seine Rolle bei der Rettung jüdischer Flüchtlinge als „Gerechter unter den Völkern“ anerkannt.
Zuletzt sorgte die Corona-Pandemie und die landesspezifischen, wechselnden Regelungen für eine besondere Situation. In der Regel entschied sich das Hotel für die Umsetzung der jeweils strengeren Vorschriften der beiden Länder, bei denen es sich meist um die französischen handelte. Infolge der Quarantänebestimmung und der langen geschlossenen und nicht überquerbaren Ländergrenze wurde L’Arbézie zu Einem Treffpunkt für Paare, die auf verschiedenen Seiten der Grenze gestrandet waren. Anschließend ist das Hotel von beiden Ländern aus zugänglich.
Quellen: Hotel Arbez, CNN
Quelle: Stern