Symbiotische Beziehungen gibt es auch zwischen Landstrichen, ganz klassisch: Tal und Berg. Bei der grünen Alm und dem grauen Schlernrücken verhält es sich genauso. Die eine geht nicht ohne den anderen. Erst zusammen ergibt sich jenes malerische Bild, das Besucher seit vielen Generationen bezaubert. Ihre hügelige Topografie macht die Seiser Alm zum idealen Wanderrevier: viel Aussicht bei nur wenig Aufwand.
Im Blick hat der Wanderer dabei immer das Langkofelmassiv oder (wenn er sich umdreht) den Schlern, zwei natürliche Felsprofile. Wettergebräunte Holzstadel (Schwaigen) stehen in der Wiese, Kuhglocken bimmeln, und an Einkehrmöglichkeiten fehlt es auch nicht.
“Des Gletschers Silberspitze, des Waldes feuchtes Grün / Der Seen blaue Spiegel, der Alpenrosen Blühen / Des Wasserfalles Brausen hat manches Bergland wohl / Doch eine Seiseralpe – hat nur das Land Tirol.” Diese etwas holperig geratene Ode an die alpine Schönheit zitiert Raoul Heinrich Francé in seinem 1912 erschienenen Buch „Die Alpen“ und bezeichnet die Seiser Alm – ganz zu Recht – als „größte Alpe in den Gesamtalpen und gleichzeitig ein Paradies der Alpenpflanzen, das zu Anfang des XIX. Jahrhundert ein wahres Wettrennen der Pflanzenkenner nach dem Schlern und der Seiseralpe veranlasste”. So viel Komplimente blieben nicht folgenlos.
Zunächst machten vor allem Botaniker der Alm ihre Aufwartung, ab den 1960er Jahren kamen mehr und mehr Touristen. Es wurde gebaut und gedüngt, Feldwege verwandelten sich in Straßen, Lifte machten das Bergerlebnis bequemer. Um wenigstens einen Teil der Hochalm zu retten, schuf die Landesregierung 1974 den ersten regionalen Naturpark, gegen den heftigen Widerstand von Bauern, Jägern und Hoteliers.
So ist der Schlern nicht zum Seilbahnberg verkommen, sondern ein schönes, traditionsreiches Ziel geblieben mit den altehrwürdigen Schlernhäusern knapp dem Gipfel (Petz, 2563 m). Etwa dreieinhalb Stunden ist man unterwegs von der Seiser Alm; noch länger, aber auch spannender sind die Anstiege von Völs über den Prügelsteig und von Weißlahnbad durch die Bärenfalle. Ein heißer Tipp: oben am Berg übernachten, die Dämmerstunden erleben.
Auszug aus dem Bildband: “Südtirol – Reisen ins Reich der Dolomiten” von David Köstler, Nina Ruhland und Eugen E. Hüsler, der bei Frederking & Thaler erschienen ist.
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Quelle: Stern