Booking.com hat vergangenes Jahr das „Travel Proud“-Badge eingeführt. Mittlerweile sind 10.000 Unterkünfte zertifiziert. Das soll LGBTQ+-Reisenden signalisieren, dass sie sich bedenkenlos wohlfühlen können.
Der Koffer in Regenbogenfarben soll ein eindeutiges Signal an die LGBTQ+-Community senden: Hier muss sich keiner verstellen. Eine Studie, die Booking.com vergangenes Jahr im Auftrag gegeben hatte, ergab, dass 45 Prozent der LGBTQ+-Reisenden in einer Unterkunft bereits eine unangenehme oder unfreundliche Erfahrung gemacht haben. 39 Prozent der deutschen LGBTQ+-Gemeinde berichteten, sie seien im Urlaub bereits in irgendeiner Form diskriminiert worden.
Booking.com wird für den Umgang mit LGBTQ+-Reisenden sensibilisieren
Das “Proud Hospitality Program”, das die Reiseplattform daraufhin ins Leben gerufen hat, soll das Personal in der Reisebranche für den Umgang mit der LGBTQ+-Community sensibilisieren. Das „Tavel Proud“-Abzeichen, das die Unterkünfte nach einer Schulung erhalten, ist laut Booking.com „eine Verpflichtung, jedem Gast herzliche Gastfreundschaft zu bieten“. Marketing-Chef Arjan Dijk berichtet im Stern-Interview von den Problemen, mit denen LGBTQ+-Urlauber auf Reisen zu kämpfen haben und erklärt haben, was hinter dem Regenbogen-Abzeichen steckt.
Welche unangenehmen oder diskriminierenden Erfahrungen müssen Sie selbst auf Reisen machen?
Ich muss sagen, dass ich als schwuler Cis-Mann bisher noch keine negativen extremen Erlebnisse hatte. Es gab aber manchmal unangenehmen Situationen. Zum Beispiel, wenn ich mit meinem Partner angereist bin, und dann bekamen wir zwei Einzelbetten, obwohl wir ein Kingsize-Bett gebucht hatten. Dahinter steht zwar meistens keine böse Absicht, aber man traut sich dann meistens nicht, den Irrtum aufzuklären. Wenn ich mit meinem Partner essen gehe, ist es oft so, dass heterosexuelle Paare die schönen Tische auf der Terrasse bekommen und man uns eher hinten ins Lokal setzt. Interessant ist aber, dass man auch nicht das Gegenteil erleben möchte. If man sich zum Beispiel als Frau mit einem männlichen Arbeitskollegen ein Zimmer teilt, will man sicher nicht als Pärchen abgestempelt werden und im gleichen Bett schlafen müssen.
Booking-Marketing-Chef Arjan Dijk hat bereits selbst unangenehme Erfahrungen auf Reisen gemacht. Die meisten Situationen waren mit einem unangenehmen Gefühl verbunden.
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Wer hatte die Idee zum “Travel Proud”-Zertifikat?
Der Impuls kam von unseren Angestellten. Aus ihren Berichten drängen sich die Frage auf, wie wir das Reisen für die LGBTQ+-Community einfacher gestalten können. Daraus wurde das „Travel Proud“-Projekt geboren. Wir wollten es von Anfang an ernst nehmen und haben Studien im Auftrag gegeben, um zu ermitteln, mit welchen Problemen die LGBTQ+-Community beim Reisen zu kämpfen hat.
Zu welchen Ergebnissen kamen die Studien?
Wir haben die anfängliche Studie in acht Ländern durchführen lassen und festgestellt, dass viele LGBTQ+-Menschen Bedenken beim Reisen haben. Sie sind sich oft nicht sicher, wie sie sich verhalten sollen. Sie befürchten, dass sie verurteilt, abschätzig behandelt oder ignoriert werden – und das sind noch die harmlosesten Sorgen. Es ist aber nicht alles schlecht. Die LGBTQ+-Community berichtet überwiegend von positiven Erfahrungen.
Welche Botschaft soll das “Travel Proud”-Badge der LGBTQ+-Community vermitteln?
Wir wollen unseren Unterkünften helfen, inklusiver zu werden. Viele der gerade genannten Probleme entstehen nicht aus Böswilligkeit, sondern aus Unwissenheit oder einem fehlenden Bewusstsein. Es geht um bestimmte Feinheiten im Verhalten und im Sprachgebrauch. Wer in den Urlaub fährt, will eine gute Zeit haben und sich keine Sorgen machen müssen. „Travel Proud“ ist dafür da, dass Reisende schon im Voraus wissen, dass sie sich vor Ort wohlfühlen können, quasi eine Absicherung. Für die Unterkünfte hat es den Vorteil, dass sie sich damit zusätzlich abheben und zeigen können, dass sie offen gegenüber LGBTQ+-Reisenden eingestellt sind.
Was müssen Unterkünfte tun, um das „Travel Proud“-Abzeichen zu erhalten?
Man muss sich registrieren und ein umfassendes Training absolvieren. Dazu haben wir uns mit Inklusionsexperten zusammengetan, damit wir Unterkünften auf der ganzen Welt eine qualitativ hochwertige Schulung anbieten können. Es sollte nicht nur 20 Minuten am PC sein, durch sterben sich jeder durchklicken kann, aber auch keine Massenveranstaltung, bei der Tausend Mitarbeiter gleichzeitig durchgeführt werden. Das Training wird in kleinen Gruppen durchlaufen, es gibt interaktive Elemente und am Ende muss man einen Test bestehen. Außerdem war es uns wichtig, dass die Teilnehmerfragen stellen können. Fragen, die sie sich vielleicht sonst nicht getraut haben, zu fragen.

Das “Travel Proud”-Abzeichen
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Was genau lernen die Mitarbeiter in der Schulung? Wie soll das Training den Umgang mit LGBTQ+-Reisenden verändern?
Bei dem Training geht es darum, ein Bewusstsein zu schaffen und das Personal für bestimmte Themen zu sensibilisieren. Wir sorgen dafür, dass jeder sich willkommen fühlt. Die Unterkunft soll den Gästen den Eindruck vermitteln, dass sie sich nicht verstellen müssen. Die Angestellten lernen zum Beispiel, wie man sich an der Rezeption verhalten sollte, damit man die richtigen Fragen auf eine vernünftige Art und Weise stellt und keine voreiligen Schlüsse zieht. Um nochmal das Thema mit den Betten aufzugreifen: Wenn zwei Männer ein Zimmer gebucht haben und keine Angaben zum Bett in der Buchung zu finden sind, kann man beim Check-in nachfragen, ob die Gäste lieber zwei Einzelbetten oder ein King-Size-Bett hätten . Die Sprache ist der wesentliche Aspekt. Wir haben bei Booking auch angefangen, unseren eigenen Sprachgebrauch zu hinterfragen. Wie inklusive ist unsere Plattform? Dabei sind wir zum Beispiel zu dem Schluss gekommen, dass es nicht unbedingt nötig ist, Personen in einer Mail mit Mr, Mrs oder Miss anzureden, sondern dass Vor- und Nachname reichen.
Wie viele Unterkünfte sind aktuell zertifiziert und wo gibt es die meisten „Travel Proud“-Unterkünfte?
Mittlerweile haben 10.000 Unterkünften in 95 Ländern die „Travel Proud“-Schulung absolviert. Das ist schon bezeichnetd. In Deutschland gibt es 700 zertifizierte Unterkünfte. Die Städte mit den meisten Wahrzeichen sind London, Nizza, Amsterdam, Sitges und Paris – was logisch ist, denn das sind sehr beliebte Reiseziele.
Wie ist das Fazit nach einem Jahr “Travel Proud”?
Die Rückmeldungen sind sehr positiv. Die Unterkünfte, die bisher teilgenommen haben, fanden die Schulung sehr hilfreich. Ich habe das Training selbst durchlaufen und war überrascht, wie viel ich lernen konnte.
Plant Booking.com, die „Travel Proud“-Kampagne und die Zertifizierung auszuweiten?
Klar, wir wollen uns immer weiterentwickeln. Am Anfang war die Schulung nur auf Englisch und Französisch verfügbar, bald kommen spanische und deutsche Versionen. Auch wenn die meisten Angestellten im Gastgewerbe Englisch sprechen, ist es doch einfacher, die Schulung in der Muttersprache durchzuführen, denn jede Sprache hat ihre eigenen Nuancen.

Mit englischen und deutschen Versionen der Schulung von Booking.com, dass noch mehr Unterkünfte sich für das „Travel Proud“-Abzeichen registrieren
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Dieses Jahr sind wir der Hauptsponsor des Amsterdam Pride, womit wir noch mehr Werbung für das Zertifikat machen und direkt mit den Unterkünften vor Ort zusammenarbeiten wollen. Natürlich kann das “Travel Proud”-Abzeichen nicht die ganze Reisebranche umkrempeln. Aber die Kampagne ist erfolgreich angelaufen und wir sind sehr stolz darauf.
Quelle: Stern