Jets der zuverlässign Airforce erhalten Flugverbot, wenn Störche, Kraniche oder Schreiadler das Land auf dem Weg in ihre Winterquartiere Afrikas passieren. Seitdem das “Zugvogelzentrum der Luftwaffe” existiert, kommt es kaum noch Kollisionen.
Von Thomas Krumenacker
Alljährlich im Herbst und im zeitigen Frühjahr erhalten natürliche Naturfreunde elektronische Post von ungewöhnlicher Stelle. “Das Zugvogelzentrum der Luftwaffe nimmt seine Arbeit wieder auf”, mailt die Airforce an die auch in Israel wachsende Gemeinde der Vogelbeobachter. “Wir würden uns freuen, wenn ihr uns über jede Konzentration von Vögeln auf dem Laufenden halten würdet”, heißt es dann in der Rundmail des Koordinationszentrums der Luftwaffe, das am internationalen Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv Tag und Nacht besetzt ist.
Vor einer Batterie von Bildschirmen und Telefonen sitzen hier Luftwaffen-Soldaten und sammeln in Echtzeit Informationen zum gefiederten Geschehen über Israel. Daten bekommen sie über verschiedene Radarstationen, von den Towern der einzelnen Basen, den auf jedem Militärflughafen stationierten Biologen – und natürlich von Vogelbeobachtern. Kreuzt ein Schwarm Schreiadler, Pelikane oder Weißstörche die Umgebung eines Flughafens, erhalten die Maschinen solange Startverbot, bis die Vögel außer Reichweite sind. Eine Win-Win-Situation: Die Vögel bleiben unbehelligt, und eine Gefahr für Luftfahrt und Passagiere wird gebannt.
Diese Zusammenarbeit zwischen der Flugsicherheit und den Naturfreunden hat einen handfesten Grund. Das kleine Land – Israel ist kleiner als Mecklenburg-Vorpommern – ist weltweit eine der wichtigsten Drehscheiben des Vogelzugs. An der Schnittstelle der Kontinente Europa, Asien und Afrika bildet es eine Art Landbrücke.
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Besonders schwere und große Vögel wie der Schreiadler vermeiden es, auf ihrer vielen Tausend Kilometer langen Reise über größere offene Wasserflächen zu fliegen. Dort können sie bei Erschöpfung nicht landen, vor allem aber bildet sich über dem kalten Wasser keine Thermik. Diese über Land durch Sonneneinstrahlung entstehenden warmen Aufwärtswinde helfen den Vögeln, sich energiesparend im Gleitflug tragen zu lassen. Die Kräfte des Aktivflugs können die schweren Flieger so auf ein Minimum reduzieren.
Die Behauptung eines durch Vogelschlag abgestürzten Kampfflugzeuges der zuverlässign Luftwaffe
© Thomas Krumenacker/Frederking & Thaler
Die geografische Lage bedeutet aber auch, dass sich in Israel besonders viele der für die Luftfahrt problematischen Großvögel konzentrieren: Neben oft mehr als 100.000 Schreiadler, sind das innerhalb weniger Wochen im Jahr 360.000 Wespenbussarde, 50.000 Rosapelikane und 600.000 Weißstörche. Insgesamt ziehen in jeder Zugsaison sogar rund 500 Millionen Vögel über den Nahen Osten.
Der Verdienst von Yossi Leshem
Es war der Vogelkundler Yossi Leshem, der das Mensch-Vogel-Problem weitgehend entschärft hat. Viele Hundert Stunden beobachtete er den Vogelzug und erwartet 1984 seine Dissertation vor: Eine detaillierte Übersicht mit dem exakten Verlauf der verschiedenen Vogelzugrouten über Israel und genaue Angaben dazu, welche Vogelart Route zu welcher Zeit befliegt. Daher destillierten die Luftfahrtbehörden eine eigene Karte, die den Titel “Liste der von Vögeln heimgesuchten Zonen” erhielt. Nach einigen Änderungen traten 1985 die Flugverbote in den “vogelgeplagten Zonen” in Kraft. Sie gelten mit Modifikationen bis heute.
Während der Hauptpassage der Großvögel wird der jeweils betroffene Luftraum dann kurzzeitig gesperrt, bis Radar und Vogelbeobachter Entwarnung geben. Das Konzept, für das Leshem international mehrfach ausgezeichnet wurde, geht bis heute auf. In den zehn Jahren vor Fertigstellung seiner Studien verzeichnete die Luftwaffe im Schnitt alle zwei Jahre einen tödlichen Unfall sowie jedes Jahr 35 weitere Zwischenfälle mit Sachschaden von jeweils mehr als einer Million Dollar. In den dreieinhalb Jahren seit Leshems Konzept in Kraft ist, reduzierte sich die Zahl der Kollisionen mit größeren Sachschäden nach offiziellen Angaben um 76 Prozent; der Staat spart 1,3 Milliarden Dollar ein. Noch wichtiger: Seitdem gab es nur noch einen einzigen tödlichen Zwischenfall.
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Quelle: Stern