Ein Dutzend mannshohe Zelte steht seit diesem Sommer auf dem Gelände eines Weinguts in Skåne. Ein verrückter Ort in Südschweden. Lassen Sie sich so hoch im Norden überhaupt Weine produzieren?
„Es ist das Selbstverständlichste der Welt“, sagt Annette Ivarsson, die ich am Vorabend beim Essen in Arilds Vingård Verkehr. Die ehemalige Bio- und Chemielehrerin hatte 2006 zusammen mit ihrem Mann Jonas die Idee, einen nur einen Kilometer von der Küste entfernten alten Bauernhof in ein Weingut zu verwandeln. Ein Jahr später pflanzten sie die ersten Weinstöcke. Heute bewirtschaftet das Paar eine Fläche von 20 Hektar. Kurz darauf eröffneten sie in dem reetgedeckten Stall aus dem Jahr 1868 ihr Restaurant und den Hotelbetrieb.
Bei ihrem Weinbaustudium in Deutschland lernte Annette im staatlichen Weinbauinstitut Freiburg die Rebsorte Solaris kennen, die blüht und reift früh. Heute gehört die Traube zu den meistangebauten in Südschweden, denn mittlerweile gibt es 35 Weingüter in Skåne. Im Glas entfaltet dieser leicht grüne Weißwein allerdings nicht die Breite an Geschmack, wie wir es vom Riesling her kennen. Bei Solaris dominiert eher die Säure, weniger die Komplexität. „Wir haben uns entschieden, nur Weinreben anzubauen, die nicht besprüht zu werden“, erzählt Annette. Sie setzt auf organischen Anbau und verzichtet auf ein Besprühen mit Kupferlösungen als Mittel gegen mögliche Schimmelbildung.
Blitzblanke Stahltanks im Gewölbe
Wie mag der Weinkeller eines so jungen Weingutes aussehen? Annette führt mich durch eine alte Tür unter die Erde. Wir stehen in Raum mit einem blitzblanken Stahltanks, von dem aus zwei Gewölbe abzweigen, in denen die Eichenfässer und Rüttelbretter mit Sektflaschen lagern. “Wir drehen die Flaschen regelmäßig von Hand”, erklärt sie. Dieser erst zehn Jahre alte Weinkeller macht einen uralten Eindruck auf mich. “Die ganzen Backsteine haben wir von einem alten Schornstein, der abgerissen wurde”, erzählt sie mir.
Unter den Dächern der Fachwerkhäuser gibt es 23 Zimmer. Doch in der Sommersaison reichen die bei weitem nicht aus. Die Kullen-Halbinsel ist eine beliebte Ferienregion. Daher haben die Ivarssons im Sommer 2019 dreizehn Zelte mit bequemen Doppelbetten für Gäste errichtet. „Seitdem kommen auch viele junge Leute und übernachten bei uns“, sagt Annette.
Die weißen Spitzen der Zelte ragen über die Reben hinaus. Zum Waschwagen mit warmen Duschen geht es im Bademantel über einen Holzsteg. Nachts funkeln die Sterne, wenn man in fünf Minuten vom Restaurant zu den Zelten läuft. Doch einen Nachteil gibt es hier: Auf Arilds Vingård kann man kein flüssiges Souvenir erwerben. Wegen der staatlichen Kontrolle des Alkoholverkaufs dürfen die Flaschen nur in den Systembolaget-Läden verkauft werden.
Quelle: Stern